Mir klappt gerade die Kinnlade runter. Es regnet. Auf Maui! Eigentlich hatte ich mir das so vorgestellt: Ich, leicht gebräunt in Hängematte am Beach, Kokosnussmilch aus Kokosnuss schlürfend, das ein oder andere Gedicht über die Schönheit des Lebens formulierend. Was soll ich sagen. Ich war naiv.

Mir ist bewusst, dass ich ein Teil des Problems bin, aber: Hawaii ist ein gottverdammtes Disneyland! Die Amerikaner haben sich ein perfektes Paradies erschaffen, das mich ein bisschen an die Wisteria Lane aus “Desperate Housewives” erinnert. Alle sind übertrieben freundlich, der Rasen ist auf 4 cm gestutzt, in den runtergekühlten Malls tanzen überschminkte Frauen mit eingefrorenem Lächeln den Hula-Tanz und im Hintergrund hängt die amerikanische Flagge. Davor stehen Touristen, die das Leben ausschliesslich durch ihre Kamera-Displays zu betrachten scheinen. Die berühmten Blumenketten werden aus Thailand eingeflogen. Man kriegt keine, außer man zahlt dafür, z.B. wenn man von einem Hotelshuttle abgeholt wird oder irgendein bekacktes Sonnenuntergangsdinner für 300 Dollar bucht. 99 Prozent der Pflanzen, die hier wachsen, sind nicht heimisch. Überall nur Fast Food. Nicht einen Toast Hawaii habe ich bekommen!!! Ich würde gern mit Polynesiern chillen, die machen jedoch nur noch eine einstellige Prozentzahl der Bevölkerung aus. Alle anderen: Tot! An Schnupfen gestorben! (Na ja, zumindest ein Teil. Weiche Recherche.)

Deswegen musste ich die ersten vier Tage in Waikiki wohl oder übel auf eine Gruppe aus zwei Iren, zwei New Yorkern, einer Österreicherin und einem Australier zurückgreifen. Es war großartig. Wir haben uns jeden Abend betrunken, mal sind wir in die Gaybar, mal in die 1$-pro-Drink-Bar, mal in die Raucherkneipe. Jedes Mal musste man seine ID vorzeigen, ständig wird man kontrolliert und höflich gemaßregelt. Trotzdem habe ich den ersten richtigen Hippie getroffen. Er wohnt eigentlich auf der Big Island, der Insel mit dem einzigen noch aktiven Vulkan, in einem Zelt im Dschungel, aber zeitweise erweitert er als Bauarbeiter das Hostel. Klar, er hat lange Haare und wohnt im Wald und natürlich baut er auch “Ganja” an und praktiziert Tantra, aber dass er ein ernstzunehmender Hippie ist, erkannte ich erst, als er mit seinem Builder-Kumpel ein paar bunte Bilder auf ein Stück Holz malte und sagte “Wir erschaffen gerade Kunst, möchtest du etwas hinzufügen?” Da ich auch ein Hippie werden will, sah ich davon ab, die Bilder einer eingehenderen Qualitätskontrolle zu unterziehen und klatschte freudig in die Hände.

Was meine Hippie-Recherchen sonst noch ergeben haben: Auch Hawaiianer machen Flitterwochen auf Hawaii. Nur auf einer der Nachbarinseln. Der Ausdruck “Da kine” kann für alles und jeden verwendet werden (auch für Rucksäcke). In Australien gibt man kein Trinkgeld. Irland sieht aus wie ein Teddy. Traveller interessieren sich nicht für Hitler. Amerikanisches Frühstück ist nicht zum Verzehr geeignet. Manche Pflanzen im Regenwald machen lustige Dinge, wenn man sie berührt (platzen, schrumpfen). Auch, wenn man einen HIV-positiven Vater gehabt hat, der ein heroinsüchtiger Trickbetrüger war und gestorben ist als man zwölf war, einem Alter, in dem man schon seit sechs Jahren mit Ritalin vollgepumpt wurde, weswegen man jetzt nur noch ein Hungergefühl empfinden kann, wenn man kifft, kann man ständig ein Lächeln auf den Lippen haben und von sich selbst sagen: “I’m a happy person!” Oh. Im ersten Moment klang das wie ein Widerspruch.
An meinem ersten Abend in Paia/Maui habe ich in einer Pizzeria einen Schweizer getroffen, der ein Auto gemietet hat. Damit sind wir am nächsten Tag den halben Weg nach Hana gefahren und dann an die Westküste. Es war so stinkenlangweilig, dass der Schweizer heute kurzerhand den nächsten Flieger nach Honolulu genommen hat, um zurück nach Europa zu fliehen. Haha!

Ich als Azubi-Hippie akzeptiere einfach, dass ich in meinem 230-Dollar-pro-Nacht-Hotel feststecke und versuche jetzt noch mal mein Glück an unserem Privatstrand.