Man hört so viel von Thailand, dass ich mir schon gar nicht mehr die Mühe machen wollte, da selber hinzufahren. Sonnenverbrannte alte Westler, denen Thai-Kinder an Traumstränden den Schritt massieren, das schien das Land in a nutshell zu sein. Und weil jeder schon mal dort war außer mir, wäre ich mir irgendwie unoriginell vorgekommen, wäre ich da 2012 auch noch hingegurkt. ICH als zukünftiger alter Reisehase würde in ein komplett anderes, total neues und unerschlossenes Abenteuerland fahren! Meine Wahl fiel auf Vietnam. Tja (siehe Vietnam-Post weiter unten).

Auf meinem Flug von Saigon nach Dubai letztes Jahr musste ich jedoch 6 Stunden auf dem bangkoker Flughafen totschlagen. Ich bestaunte die Hindu-Statue, mampfte Mango mit sticky rice, ließ mir eine Thaimassage verpassen und kaufte mir einen wertvollen Schnörkelring, der mich für immer an die Zeit auf dem bangkoker Flughafen erinnern sollte. Auch, wenn dieses Thailand über die Landebahn hinaus mir gänzlich unbekannt war, hatte ich mich in es reinverliebt. Ich schwor, eines Tages zurückzukehren. Und das tat ich im November 2013.
Eine Zeitschrift hatte mich mit einer Reisegeschichte über Thailand beauftragt. Ich bat darum, meinen Rückflug um eine Woche zu verschieben, so dass ich eine Woche arbeiten und eine Woche Freizeit haben würde. Über die erste Woche soll hier Stillschweigen herrschen, denn die Geschichte ist noch nicht erschienen. Die zweite Woche begann damit, dass ich mich von dem Fotografen verabschiedete.

– Kurzer Einschub: Diese Reisejournalismus-Sache ist absurd! Da treffen sich ein Schreiber und ein Fotograf, die sich unter Umständen noch nie gesehen haben und verbringen gleich mal eine Woche zusammen in einem fremden Land. Und mit “zusammen” meine ich: Praktisch jede gottverdammte Minute des Tages! “Was, wenn man einander hasst?” fragte ich meinen Fotografen, der solche Reisen ständig macht, und er antwortete: “Im schlimmsten Fall setzt man die Reise getrennt fort.” Wir prosteten uns mit unseren Chang-Bieren zu. –

Ich verabschiedete mich also und ließ mich in ein Hostel bringen. Die alte Socializing-Taktik - würde sie auch 2013 noch funktionieren? Menschen, die ich in den folgenden acht Stunden kennenlernte:
• 21jähriger Typ mit Locken aus Israel, der betonte, immer mit dem Flow goen zu wollen, interessante Formulierung angesichts der nässenden Wunden an seinen Füßen, die seit Kambodscha nicht verheilen wollten.
• Ähnlich junge Frau aus München, die bereits ein frühes Stadium der Transformation zur ohne Unterlass plappernden Mehrfach-Mutter mit praktischer Frisur erreicht hatte. Betonte, sie arbeite extremst viel auf ihrer Reise, denn sie sei ein unverbesserlicher Workaholic. Noch.
• Philippinin, die mir von ihrem großen Traum berichtete, wegen dem sie ihre Reise angetreten habe: Auf einem Elefanten reiten. Später schickte sie mir ein Foto davon. Yay!

Ich habe die größte Ehrfurcht vor alleinreisenden Frauen. Nicht so sehr vor mir selbst, weil ich ja weiß, wie ich mir vor jedem Schritt in die Hosen pupe - verhältnismäßig grundlos. Die anderen lassen teilweise zeternde Familien in ihren Heimatländern zurück, die ihnen Hochzeit, Kinder und generelles Gefesseltendasein aufzwängen wollen und die steigen schulterzuckend ins nächste Flugzeug. Wie cool kann man eigentlich sein? Auch die Japanerin, mit der ich mich später anfreunden sollte, erklärte mir mit ihrer 10 Dezibel-Stimme auf einer Dachterrasse in Bangkok: “Yes, I had boyfriend in Japan. But he want marry me and I say NO!” (abwehrende Handbewegung) BÄM! An dieser Stelle “Independent women” von Destiny’s Child einspielen, falls DJ zur Hand.

Jedenfalls: Die Socializing-Taktik “Hostel” ist überholt. “Kurse belegen” ist jetzt der neue Shit. Am ersten Tag meines Freizeit-Aufenthalts meldete ich mich bei einem vegetarisch/veganen Thai-Kochkurs an. Eine ganz und gar in Glitzer gehüllte Frau weihte uns u.a. in die Geheimnisse der Tom Yam Chili Paste und des Pad Thai ein. Währenddessen sangen wir einen Song, aus dem ich mir nur die ersten zwei Strophen gemerkt habe: “Sap sap sap sap sap. Sap sap sap sap sap.” Sap bedeutet so viel wie lecker. Der Song traf den Nagel auf den Kopf. Wenn überhaupt, enthielt er ein paar Saps zu wenig.

Im Kurs lernte ich eine Münchnerin und einen dänischen Koch kennen, mit denen ich danach noch durch die Stadt lief. Wir tranken Bier, rauchten und fuhren Tuktuk. Rock'n'Roll! Dann war es Zeit, ins Bett zu gehen, denn: Am nächsten Tag um 9.00 Uhr begann mein Fußmassagekurs.
- Pause -
90 Prozent der Menschen, denen ich erzähle, dass ich einen Fußmassagekurs belegt habe, reagieren mit unverhohlenem Ekel. Mir war das nicht klar, ich dachte, man darf alles und außerdem, dass Füße ein respektabler Teil des Körpers seien. Anscheinend nicht!
Zugegeben, diese eine Rubensfrau aus Rom wollte ich nicht massieren, denn sie hatte Fußpilz im Endstadium. Alles andere, Deformierungen, schlecht rasierte Beine, unzureichende Pediküre - bring it on. Ich hatte fünf Tage, von 9 bis 16 Uhr, je zwei Massagen passiv und aktiv, Zeit, mir ca. 50 Massageschritte in einer bestimmten Reihenfolge zu merken und durchzuführen. Am Ende gab es ein Examen! Ich bestand, riss mein Zertifikat an mich und schrie: “Scheiß auf die Print-Krise, ich gründe ein Fußmassageimperium!” Fragende Blicke, Übergang zur Tagesordnung.

Gefühlsausbrüche mögen als unangemessen empfunden werden, Grund: Buddhismus, aber auch ein Thai ist nicht immer nett. Eine gebürtige Bangkokerin, mit der ich ein längeres Interview führte, erwähnte am Rande, dass ihr die Mentalität ihrer Landsleute auf die Nerven gehe. Oberflächlich seien sie freundlich, aber darunter verbärgen sich Aggression und Verbohrtheit. Ein paar Hinweise hatte ich auch schon gesammelt:

• Nimmt man zu Fuß Kurs auf touristische Attraktionen wird man von vermeintlich freundlichen Männern angesprochen, die einem schlechte Nachrichten überbringen: Der Tempel, oh je, der hat jetzt, um drei Uhr Nachmittags, leider geschlossen! Ich hatte schon in meinem Reiseführer gelesen, dass dies nichts weiter als perfide Lügen sind, um einem eine andere Touri-Tour aufzuquatschen. Als ich dem Spektakel ein Ende bereitete, beschimpfte mich der einst so freundliche Herr auf übelste Art und Weise.
• Das passiert auch manchmal, wenn man sich mit einem Taxifahrer anlegt, weil er die Uhr nicht aktivieren möchte.
• Die Japanerin, die sanftmütigste Person auf Erden (auch, wenn ihr Ex-Freund das vielleicht nicht unterschreiben würde) wurde im Zuge eines Disputs im Schlafraum der Massageschule (im Sinne von “Kannste um 5 Uhr morgens das Licht ausmachen, wenn du aus dem Raum gehst?”) von einer Thailänderin angegriffen, mit dem Kopf gegen eine Bettkante geschleudert und IN DEN ARM GEBISSEN! Niemand half, die Japanerin fuhr allein und schwallartig aus dem Kopf blutend ins Krankenhaus, ihre Wunde musste genäht werden. O-Ton Thai-Frau: “Wenn ich dich schlage, kostet mich das vielleicht 500 Baht. Gwarrharrharrharrr!” *hau*
Anm. d. Blog.: Diese Geschichte wurde durch eine andere Zeugin bestätigt.

Na ja. Zum Schluss noch ein paar versöhnliche Worte. Dinge, die an Thailand schön sind (also, in erster Linie Bangkok. Ich war aus wettergründen nur 22 Stunden auf Koh Samui und 2 Tage in der Nähe von Hua Hin):
• Das Wetter. Warm und feucht, mmm… Leider keine Sonne, während ich da war.
• Dass Taxifahren so billig ist! Sitzt da zwei Stunden drin, zahlst drei Euro! (Man sitzt zwei Stunden drin, weil Stau -> Nachteil.)
• Das Essen. OMFGawd ich kann jeden Tag Thai-Curry essen, jeden Tag meines Lebens.
• Die Kinder. Wenn man aus Thailand zurückkehrt, erschrickt man erstmal, wenn man deutsche Kinder sieht. “Das da fand ich mal süß?” Mangels Thai-Kindern bleibt einem aber wohl nichts anderes übrig, als die dann doch irgendwann wieder süß zu finden. Oder man sucht im Internet nach Bildern von Thai-Kindern, besser aber nicht.
• Gleichberechtigung. Männer fahren Tuktuk, Frauen managen die Hotels.
• Exotik! Mönche, komische Gerüche und Dreck, Kakerlaken, Tempel, Märkte, Buddhas, kleine Blumenkränze, Buddha-TV, viel zu volle Boote und Zitronengras-Tee im Supermarkt.
• Alle lächeln alle an.

Bis bald. :)